„Die Stile lassen sich kaum mehr zählen“
Erding, 17. Oktober - Einen komprimierten Überblick über die Geschichte des Jazz in Konzertform gibt zum Auftakt des diesjährigen Festivals das Jazz-Ensemble der Kreismusikschule (KMS). Sein Bassist Johannes Ochsenbauer erklärt, was diese Musikrichtung ausmacht.
Herr Ochsenbauer, welche Eigenschaften braucht man, um Jazz-Fan zu werden?
Johannes Ochsenbauer: Meiner Meinung nach gar keine, außer Interesse an der Musik und natürlich eine gewisse Zeit, um Jazz zu hören und zu sehen. Eigentlich kommt ja jeder in den Genuss von Jazz - unbewusst durch das bekannte „Girl from Ipanema“ im Fahrstuhl, „Summertime“ von George Gershwin im Radio oder ganz bewusst in einem Konzert. Jazz hat viele Facetten, man darf nur keine Berührungsangst haben. Und Jazz ist so vielseitig, dass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Je tiefer man in die Musik eintaucht, sich mit den verschiedenen Stilrichtungen und Musiker-Persönlichkeiten beschäftigt, die Geschichten hinter der Musik und den Songs kennen lernt, desto spannender wird es!
Die Vielseitigkeit und unterschiedlichsten Stile sind gute Stichworte. Gibt es trotzdem eine Konstante über die Jahrzehnte?
Ochsenbauer: Ja: Improvisation. In keiner anderen Musikrichtung ist sie so ein zentrales Element wie im Jazz. Das Kreieren im Moment und das daraus resultierende Zusammenspiel, die gleichberechtigte Interaktion unter den Musikern schafft immer neue einzigartige Klänge. Das sieht man schon an der Entstehung: Was wir heute Jazz nennen, entwickelte sich vor gut 100 Jahren in den Vereinigten Staaten durch das Aufeinandertreffen und Verschmelzen verschiedener Musikrichtungen. Der Ausgangspunkt war die Fusion aus Blues, Ragtime und europäischen Songformen. Es verschmolzen Elemente afrikanischer und europäischen Kultur – und das in Amerika.
Und wie ging es weiter?
Ochsenbauer: Jazz und Jazzmusiker sind offen für alles. Stilmittel aus unzähligen Musikrichtungen halten seitdem Einzug und erzeugen immer neue Begegnungen, Klangfarben und Facetten. Die einzelnen Epochen und Stile lassen sich kaum mehr zählen.
Das Jazz-Ensemble der Kreismusikschule (KMS)
Was ist Ihr liebster Jazz-Stil und warum?
Ochsenbauer: Ich liebe Jazz in all seinen Facetten. Als Musiker spiele sehr gerne in verschiedensten Formationen und Stilrichtungen. Beim Hören geht es mir genauso. Ich kann nur Tipps aus meiner aktuellen Playlist geben: Ich mag zum Beispiel die Musik von Bassisten-Kollegen wie Paul Chambers oder Orlando Le Fleming, weil bei denen der Bass nicht nur eine Begleitfunktion, sondern eine solistische Rolle einnimmt. Außerdem bin ich seit längerem von der chilenischen Saxophonisten Melissa Aldana begeistert. Sie meistert mit ihren Ensembles unglaublich virtuos den Spagat zwischen Tradition und Moderne.
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Interview: Christian Wanninger
Das KMS-Jazz-Ensemble mit Gabriel Koegh (Trompete), Max Pfaff (Gitarre), Johannes Ochsenbauer (Bass) und Michael Keul (Drums) sowie den Solisten Daniel Eberhard (Piano, Saxophon) und Alexandrina Simeon (Gesang) kommt am Donnerstag, 6. November, um 19.30 Uhr in das Museum Erding. Karten kosten 15 Euro und sind im Vorverkauf unter www.stadthalle-erding.de erhältlich.